Sagen und Sagenhaftes

Der Schlette

Anno 1866 gab es im Schönbuch den Wilddieb Schlette. Die Alten sagen, es sei ein Förstersohn gewesen, der auf die schiefe Bahn gekommen ist. Dieser Wilderer war in den Dörfern ringsum den Schönbuch sehr beliebt. Die armen Leut hatten selten ein Stück Fleisch in der Pfanne. Der Schlette aber brachte den Armen manchmal einen Hasen oder den Schlegel eines Rehbocks. Die Herren Jäger, damals noch sogenannte bessere Leut, waren beim Volk verhasst. Einmal war der Schlette auf der Flucht vor ein paar Wild-Hütern. Er rannte den Wald hinab direkt in das Haus vom Ratza Beck, gegenüber vom Unterjesinger Löwen. In der Back-Stube wurde der Schlette unter der umgedrehten Bach Muald versteckt. Der darin angemachte Brotteig war schon im Ofen. Oben auf dem Trog war ein hitziges Karten-Spiel im Gange mit lauten Rufen wie: "Herz sticht" oder "d`Sau raus". Das ganze Haus des Bäckers Rall wurde durchsucht. Jedoch den Schlette fanden seine Verfolger nicht.

Im Jahre 1866 hieß der Besitzer der oberen Unterjesinger Mühle Christian Holz. Er war 46 Jahre alt und in zweiter Ehe mit der 32-jährigen Dorothea- Tochter des Wolfenhausener Schultheißen Kienzlen verheiratet. An einem Nachmittag hatte der Müller von dem Mühlestaub Durst bekommen. Deswegen war er auf dem Weg in den Hirsch hinauf, um ein Bier zu trinken. Von zwei Landjägern verfolgt - stürmte ihm der Schlette entgegen. Der Müller breitete beide Arme aus und stellte sich in den Lauf der Gesetzeshüter, um dem Wilderer zu einem Vorsprung zu verhelfen. Dabei wurde er von den Landjägern niedergestochen. Der Schlette entkam; der Müller starb an den Stichverletzungen. Er hinterließ einen Sohn und drei Töchter. Der Sohn hat die Mühle Poltringen gekauft. Noch heute heißen die Besitzer der Poltringer Schloßmühle Holz. Die Witwe Holz, geborene Kienzlen, rief damals ihren Bruder aus Wolfenhausen zu Hilfe. So wurde aus der Holz`schen Mühle in Unterjesingen die Mühle Kienzlen. Die Müllerin hat nicht wieder geheiratet. Sie lebte bis 1923 in ihrem Haus bei der Mühle, das dann der Schuhmacher Haischt kaufte. Die Leute im Dorf nannten sie: "de alt Holze".

Einmal als der Schlette wieder mal auf der Flucht in Richtung Schönbuch war, folgte ein ganzes Dutzend Feldjäger seiner Spur , die über Roseck in Richtung Himbachtal führte. Auf einer versteckten Lichtung mitten im Walm qualmte Rauch aus einer kleinen Holzhütte. Lautlos kreisten die Gendarmen das

Häuschen ein. Der Schlette narrte sie mit einem Skelett und einem Zettel auf dem geschrieben stand: "Ihr kommt leider zu spät, Gevatter Tod war schneller. Ach tut mir noch den Gefallen und bringt das Skelett dem Lehrer wieder ins Schulhaus zurück".

Vis a vis vom Jesinger Armenhaus lebte der Schirmer. Vor dem kleinen Hof stand ein mit Plane überspannter zweirädriger Karren, mit dem er zuweilen über`s Land fuhr, um Schirme zu flicken. Dr Schirmer war ein Pfiffikus, ein Dorforiginal, einer der das Gras wachsen hörte und als Komplize des Schlette verdächtig war. Er hatte meist die Finger im Spiel, wenn es des Nachts im Schönbuch knallte und dem königlichen Jagdamt wieder ein Hirsch fehlte. Eines Tages führte die Spur eines solchen Jagdfrevels direkt zum Schirmer. Eine Durchsuchung war angeordnet. Die Landjäger begehrten Einlass. Der Schirmer indessen hatte die Tür verriegelt und sich taub gestellt. Mittels einer Leiter verschaffte sich die Obrigkeit gewaltsam über das Stubenfenster Zugang. Es war nichts zu finden. Die Polizei musste erfolglos abziehen. Der schlitzohrige Schirmer ließ die Leiter stehen und machte ein Schild daran, auf dem jeder lesen konnte: "Eingang nur für Staatsbeamte".

Der Schlette indessen brachte die Beute, nach erfolgreicher Pirsch, im frühen Morgengrauen wie so oft zum Müller. Dort wurde sie zerlegt, zur Verteilung an die hungernden Armen. Der aufgestellte Posten meldete Gefahr. Landjäger! Der Schlette war längst wieder verschwunden. Die alte "Ahna", die am Ofen vor sich hin döste war die letzte Rettung. Die Männer legten das Wildbrett eilig auf die Ofenschranne und setzten die Ahna mit Ihrem "langa Rock druff".

Staatliches Einäscherungsamt

Betreff: Ihre Einäscherung

Sehr geehrter Herr ...

Da wir durch genaue Informationen erfahren haben, dass aus Ihrem Weiterleben keine sozialen Vorteile mehr zu erwarten sind, Sie mit Ihrer erbärmlichen Erscheinung zum Schrecken der Menschen herumlaufen, Ihrer Umgebung nur zur Last fallen, haben wir lt §217 Abs 9 des Kontrollgesetzbuches, zur Lenkung des Menschenüberschusses im deutschen Reich, Ihre Beerdigung beschlossen. Sie werden hiermit aufgefordert, sich am Mittwoch, den ... um ... Uhr im Reutlinger Krematorium Ofen 16, Klappe 9, zwecks Verbrennung Ihrer schlackrigen Figur, mit Gesangbuch und Leichenhemd einzufinden.

Da Sie in Ihrem verpfuschten Leben überreichlich Alkohol getrunken haben, werden Sie gebeten, zur Vermeidung einer Explosion, 1 Liter ungekochte Ziegenmilch, 1 Stunde vor der Einäscherung zu sich zu nehmen. Sie haben ferner einen Bund Stroh , 1 Zentner Koks, Papier und Feuerung, 1 Topf für Grieben und abfallendes Fett und 1 Tüte für die Knochenreste mitzubringen. Einen Sack für die Asche ist außerdem zu stellen. Da Sie unter Gehirnerweiterung leiden, haben Sie vorher Ihren Wasserkopf zu entleeren um nicht die Gefahr zu laufen, dass das Feuer vorzeitig erlischt. Die Füße sind gründlich abzuschaben. Käser erzeugt bekanntlich üble Gase. Für die Löschung Ihres Namens bei der Einwohnermeldestelle wollen Sie bitte selber Sorge tragen. Wir erwarten Sie also termingemäß und verbleiben mit freundlichen Grüßen

Gez. Dr. Flammentod, Professor für Röstheilkunde und schmerzlose Jenseitsbeförderung